• projekte
neon-bureau
  • projekte

04 Werk, Bauen + Wohen 9:2013_Mit Glas mauern?.jpg

Text © Barbara Wiskemann | image source: www.wbw.ch

Werk, Bauen + Wohnen 9/2013

Mit Glas mauern?
Glasbausteine heute

Die Verwendung von Glasbausteinen in Aussenfassaden, wie sie etwa Pierre Chareau bei der Maison de Verre(1928-1933), Rino Tami bei der Biblioteca Cantonale in Lugano (1940) oder Rudolf Schwarz bei seinen Kirchen der 1950er Jahre verwendet haben, ist heute selten. Wie bei vielen Materialien haben Energievorschriften die Bedingungen verändert, und die grossartigen, direkten Kostruktionen der Moderne durch komplexere Wandaufbauten ersetzt, die im besten Fall eine ähnliche Wirkung erzeugen. Das Spezifische an Glasbaustein ist ja das direkte Fügen mit Glasblöcken, im Gegensatz zu einer Fensterkonstruktion, bei der das Glas immer als Füllung in einem Rahmen steht. Während mit Flachglas eine durchsichtige Wand und eine unmittelbare Blickbeziehung zwischen Innen und Aussen erzeugt wird, kann mit Glasbausteinen eine durchscheinende Mauer gebaut werden, die aber einem Raum tendenziell einen introvertierten Charakter verleiht.

Der Glasbaustein als Hohlkasten aus Glas verfügt über hervorragende statische, lichtbrechende und feuerschützende Eigenschaften, die jedoch gerade einer dämmenden Wirkung widersprechen. Neuere sogenannte Isoliersteine sind zwar aus zwei Halbschalen mit einer dämmenden Steg zusammengesetzt, können aber den hiesigen thermischen Anforderungen nicht genügen. Die Firma Semadeni Glasbeton bau in Horgen arbeitet schon seit Mitte der 1990er Jahren daran, thermisch leistungsfähigere Konstruktionen mit Glasbausteinen im Verbund mit Beton zu finden. Laut Aussagen des Firmeninhabers Semadeni hätten vor 20 Jahren die Glashütten kein Interesse an einer umfassenden Anpassung der Sortimente gehabt. Das Doppelblocksystem von Semadeni funktioniert mit jeweils zwei vorgefertigten Glasbausteinwandenelementen, zwischen denen wie in einer Isolierverglasung eine Gasschicht für Dämmung sorgt und ein dichter Randverbund die beiden Schalen zusammenhält.

Roger Boltshauser verwendet seit Jahren Glasbausteine bei seinen Bauten. Ob seine Vermutung stimmt, dass das Material einfach als altmodisch betrachtet und deshalb weniger verwendet wurde, oder ob es angesichts der vielen Möglichkeiten auf dem Bauteile-Markt an Innovationsgeist und Überzeugungskraft fehlte, sei dahingestellt. Boltshauser hat mit Semadeni gemeinsam viel Fachwissen erarbeitet. Neben dem Einsatz des Doppelblocksystems wurden beispielsweise in bei der Erneuerung des Schulhauses Kronenwiese in Adliswil Glasbausteinkuppeln gebaut, die ein Vorbild in Rudolf Scharz’ Kirche St. Anna in Düren haben. Boltshauser spricht in Aita Flurys Buch Elementares zum Raum, Roger Boltshausers Werke von einer «massiven Opakheit » als Wirkung der Glasbausteine und den faszinierenden Möglichkeiten der Fügung von Glas. Das neueste Projekt Boltshausers mit einem grossflächigen Einsatz von Glasbausteinen ist das Forschungsgebäude GLC der ETH in Zürich. Das Lehr-, Labor- und Bürogebäude erhält einen Curtainwall aus Bandfenstern und Brüstungen aus Glasbausteinen. Die horizontale Gliederung der Fassade wird durch eine vertikale Ordnung überlagert, die durch eine Einteilung der Bänder mit feinen Stahlrahmen in quadratische und rechteckige Formate entsteht, deren Wirkung durch plastische Vor- und Rücksprünge verstärkt wird. Das Gebäude erhält so eine Präsenz, die zur altehrwürdigen ETH passt, gleichzeitig verweisen die Glasbausteine auch auf Laborbauten zB im Hönggerberg und verorten sich so im wissenschaftlichen Kontext. In einer Vorhangfassade verwendet, erhalten die Glasbausteine passend zur Konstruktionsbezeichnung einen textilen Charakter, der auch von Rudolf Schwarz betont wurde, wenn er im Zusammenhang mit der Aussenwand der Kirche St. Mechtern in Köln von einem «Gewebe aus Licht» sprach.

 

neon bureau ag | am wasser 55, 8049 zürich | +41 44 240 18 68 | welcome@neon-bureau.ch